Challenge: 300 Minuten voller Achtsamkeit – das ist passiert

„If your mind wanders off, gently bring the attention back to the body.”
Andy Puddicombes sanfte, beruhigende und zuversichtliche Stimme klingt noch in meinem Ohr nach. Zurecht, denn während der 300 Minuten voller Achtsamkeit sind meine Gedanken (und Gefühle) mindestens eintausendmal mit mir durchgegangen.
Mich erstaunt, dass wir 47 % unserer wachen Stunden damit verbringen, Gedanken nachzugehen, die absolut nichts mit dem gegenwärtigen Augenblick zu tun haben.
Wir erleben also knapp die Hälfte unseres Tages achtlos und keineswegs achtsam. Wir sind nicht präsent. Nicht im Hier und Jetzt. Wenn wir dem Bestsellerautor Eckhart Tolle Glauben schenken, dann ist dieser Moment das Einzige, was wir haben und was zählt.
Und so entstand meine Challenge für einen ganzen Monat: Ich wollte herausfinden, wie ich effektive Achtsamkeitsübungen in meinen Alltag einbauen kann und wie sich diese auf mich und mein Umfeld auswirken.
Dazu habe ich mich täglich zehn Minuten von der Headspace App von und mit Andy unterstützen lassen, nachdem mich sein TED- Talk „All it takes is 10 mindful minutes” inspiriert hat.
Eine tägliche Praxis im Achtsamsein soll folgende Wirkungen erzielen:
- verstehen und wertschätzen des aktuellen Moments
- sich nicht in Gedanken verlieren
- fokussiert statt abgelenkt sein
- bei schwierigen Gefühlen und Emotionen standfest bleiben
Mindfulness oder Meditation?
Mindfulness ist das englische Wort für „Achtsamkeit” und für mich war anfangs nicht klar, wo der Unterschied zur klassischen Meditation liegt. Die Gründerin des Langer Mindfulness Institute, Ellen Langer, beschreibt Meditation als ein Werkzeug, um Achtsamkeit zu erreichen. Das Ziel liegt generell darin, Neues zu entdecken.
Wir können nicht jede Situation ändern, die uns im Leben begegnet, aber wir können darüber entscheiden, wie wir sie erleben. Das ist das Potential von Mindfulness.
30 Tage x 10 Minuten
Mittwoch, 1. Februar. 7 Uhr – los geht’s. Die Headspace App ist installiert und ich starte meine ersten zehn Minuten mit Andy. Ich mache es mir auf meinem gepolsterten Sessel in der Küche bequem. Einen heißen Kamillentee vor und meine kleine Hündin auf mir. Andys tiefe Stimme lädt sofort ein, mich zu entspannen. Er begleitet mich während der gesamten Session, als säße er neben mir. Ich merke, wie meine Arme und Beine schwer, die Schultern locker und das Gesicht weich werden. Ich versuche mich auf meinen Atem zu konzentrieren, ihn zu zählen: Einatmen. Eins… Ausatmen. Zwei… Einatmen. Drei… Die Gedanken wie Wolken vorbeiziehen lassen, nicht anhaften, nicht werten, einfach weiterziehen lassen…
Nach neun Minuten schlägt meine Ungeduld durch und ich beende die App vorzeitig, mit dem Glauben, die erste Session erfolgreich abgeschlossen zu haben. Leider erkannte die App meinen Schummelversuch und ließ mich am nächsten Morgen eine Extrarunde drehen. So absolvierte ich den Start gleich zweimal und lernte meine erste Lektion im Üben von Geduld.
Und somit hatte ich eine neue Morgenroutine: In der Küche mit Tee und Mocca (dem Hündchen) zehn Minuten achtsam zu sein. Ich gebe zu, dreimal ließ ich meine Übung sausen, weil mir mehr nach lauter Musik war, um mein Energielevel morgens zu erhöhen. Ich hatte das Gefühl, an manchen Tagen brauchte ich das dringender, als gelassener und achtsamer zu werden.
Einmal wollte ich im Büro zu Mittag die zehn Minuten einlegen, musste nach fünf Minuten jedoch abbrechen, da ich mich im Meetingraum nicht gut entspannen konnte.
10 Minuten = 1000 Gedanken
Pro Tag hängen wir zirka 60.000 Gedanken nach. Ich hatte das Gefühl, während meiner morgendlichen Achtsamkeits-Session kam ich bereits auf 1.000 davon – obwohl ich ja eigentlich weniger denken und mehr wahrnehmen sollte. Beziehungsweise sollte ich ja gar nichts. Einfach zu sein – das war das Ziel. Wenn Gedanken auftauchen, dürfen sie da sein und weiterziehen. Leichter gesagt, als getan.
Um jetzt, in diesem Moment achtsam zu sein braucht es zwei Dinge: Fokus und Bewusstsein. Wer das schon einmal probiert hat, weiß wie schwer es uns fällt, die auftauchenden Gedanken, Gefühle, Bilder oder Szenen wie Wolken vorbeiziehen zu lassen, anstatt in sie einzutauchen, ihnen nachzugehen.
Wir erreichen den Status „achtsam” nicht einfach so, es ist wie überall eine Frage der Übung. Wodurch werden wir sportlich? Indem wir regelmäßig und über einen längeren Zeitraum laufen, radfahren oder schwimmen gehen. Wie werden wir achtsamer, gelassener, präsenter? Durch tägliches Training! Wie Aristoteles sagte: „Aus unseren Tätigkeiten erwächst unsere Haltung.” Wir werden zu dem, was wir tun. Wir sind unsere Gewohnheiten.
1.000 Gedanken → 1 Erkenntnis
Achtsamkeit ist mittlerweile ein Modewort und in aller Munde. Ich kann dieser Methode sehr viele Vorteile abgewinnen und sie jedem empfehlen – als Einstieg. Ich kam jedoch zum Entschluss, dass es für mich nicht reicht, zehn Minuten morgens achtsam zu sein und den Rest des Tages gedankenverloren umherzuirren. Achtsamkeit in jedem Augenblick, im Umgang mit mir selbst und im Umgang mit meiner Umwelt, den Mitmenschen, das wünsche ich mir. Deshalb brauchte ich mehrere Routinen, um mich tagsüber immer wieder zurück zu mir zu holen. Was mir persönlich half, war eine Kombination aus geführter Meditation wie Headspace, Focusing und Musik.
Focusing ist eine Methode, nach innen zu schauen, zu fühlen, zu hören und einfach wahrzunehmen, was jetzt gerade auftaucht. Seien es Bilder, Wörter, Gedanken, Gefühle. Und diese einfach sein zu lassen. Diese achtminütige Übung habe ich morgens an meine Headspace-Meditation drangehängt. Zum Abschluss legte ich noch schöne Musik ein, die mich berührt, zentriert, motiviert.
Dadurch kann ich meinen inneren Lärm besser wahrnehmen, leiser drehen und manchmal für einen Moment sogar abschalten.
Diese Morgenroutine ist für mich persönlich ein guter Start in einen anspruchsvollen Tag und ich kann gelassener und achtsamer bei mir bleiben. Das ist für mich der Sinn dieser Methoden: Zu erkennen, dass wir nicht jede Kleinigkeit in unserem Leben ändern können (und sollen). Aber wir können die Art und Weise ändern, wie wir die Dinge erleben und damit umgehen.
Indem ich mich nicht mehr im Alltag verliere, sondern zwischendurch innehalte, einfach durchatme, kann ich Gelegenheiten erkennen und ergreifen, die ich sonst womöglich übersehen hätte.
Als Fazit kann ich Folgendes sagen: Die 300 Minuten voll Achtsamkeit haben mich gelassener und ruhiger gemacht. Sie haben mir gezeigt, was mir gut tut. Gestern reflektierte ich beim Laufen noch einmal, welche tatsächlichen Auswirkungen diese Challenge für mich hatte. Mir wurde bewusst, dass sich bei mir im Monat der Challenge sehr viele Dinge ereignet haben, beruflich und privat und ich wichtige Entscheidungen bewusst getroffen habe. Wer weiß, ob sich dies auch ohne tägliche Mindfulness-Praxis ergeben hätten, aber ich vermute, die neue Morgenroutine hat mehr Einfluss, als mir vielleicht bewusst ist.
Mein Kollege Chris hat zwischendurch am Mittagstisch zu mir gesagt, er findet, ich strahle neuerdings so viel Ruhe und Gelassenheit aus. Anscheinend hat es also auch meine Umgebung gemerkt und davon profitiert 🙂
Ich werde mich diesem Thema auf jeden Fall auch weiterhin widmen und mich in Achtsamkeit üben – es macht ja auch Spaß, sich selbst besser kennen zu lernen!
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