Was ist Pronation und warum spielt sie eine Rolle?

Schon mal den Begriff „Pronation“ gegoogelt? Ja? Und danach warst du genauso schlau wie vorher? Da wird von Überpronation gesprochen, und von Supination. Oder sogar der Pronation der Hand. Musst du dabei an Barfußläufer*innen und Ultraläufer*innen denken oder an Platt- und Senkfüße? Ist Pronation etwas Gutes oder etwas Schlechtes? In diesem Blogbeitrag bringen wir Licht ins Dunkel, was Pronation ist und was sie für deinen Laufstil bedeutet.

Was ist Pronation?

Pronation ist ein Begriff aus der Anatomie, der die Bewegung des Fußes beschreibt. Die entgegengesetzte Bewegung wird als Supination bezeichnet.(1,2)

Unter Pronation versteht man die Einwärtsdrehung des Fußes am Knöchel, so dass das Gewicht auf die Innenseite des Fußes (die Großzehenseite) verlagert wird.  Stell dir vor, dein Knöchel knickt nach innen.

Bei der Supination dreht sich der Fuß in die entgegengesetzte Richtung, wobei das Gewicht auf die Außenkante des Fußes (die Seite der kleinen Zehe) verlagert wird.  Das kannst du dir so vorstellen, wie wenn dein Knöchel nach außen rollt.

Damit du dir die Bewegung besser vorstellen kannst, versuch, auf einem Bein zu stehen und dein Gewicht von links nach rechts zu verlagern. Während dein Fuß abrollt, um das Gleichgewicht zu halten, proniert und supiniert er.  

Auch wenn der Begriff Pronation einen negativen Beigeschmack hat, ist ein gewisses Maß an Pronation beim Gehen und Laufen normal und gesund.  Nur eine zu geringe oder übermäßige Pronation verursacht unseren Füßen Probleme.  Eine zu geringe (Unterpronation) oder zu starke Pronation (Überpronation) hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Gelenke und die Laufleistung.

Nicht zu viel und nicht zu wenig – wie bei so vielen anderen Dingen gilt das auch für die Pronation.  Eine Pronation, die die Stoßdämpfung und die Laufleistung als Teil eines natürlichen Laufstils verbessert, wird als neutrale Pronation bezeichnet.

Neutrale Pronation

Bei der neutralen Pronation sind unsere Füße beim Bodenkontakt leicht nach innen gedreht (supiniert), d. h. die Außenkante des Fußes berührt den Boden zuerst.

Wenn sich unser Körpergewicht über den Fuß nach vorne verlagert, dreht sich der Fuß nach unten und außen, so dass der gesamte Fuß den Boden berührt – das ist Pronation. An diesem Punkt in der Mitte des Standes befindet sich der Fuß in einer neutralen Position – er ist weder proniert noch supiniert und steht flach auf dem Boden.

Diese Bewegung von einer supinierten Position bei Bodenkontakt zu einer neutralen Position in der Mitte des Standes ist ein natürlicher Teil des Gehens.  Dies wird als neutrale Pronation bezeichnet die entscheidend für eine effektive Stoßdämpfung beim Laufen ist.

Überpronation

Bei manchen Menschen dreht sich der Fuß zu sehr nach außen. Dies bezeichnet man als Überpronation, die öfter auftritt als Unterpronation. Bei einer Überpronation wird das Gewicht auf die Innenseite des Fußes verlagert, auch auf den großen und den zweiten Zeh. Da sich der Fuß bei Überpronation nach außen dreht, wird das Fußbett abgeflacht. Mit der Zeit kann dies eine Plattfußbildung verursachen oder verschlimmern. Dies beeinträchtigt die Gewichtsverlagerung und das Gleichgewicht beim Laufen sowie die Kraftübertragung beim Abstoßen der Zehen.

Eine Überpronation kann zu Verletzungen führen, da sie das Risiko von Fersensporn (knöcherne Strukturen, die von der Ferse aus unter den Fuß wachsen) und Plantarfasziitis (Schmerzen und Entzündungen in dem zwischen Ferse und Vorderfuß verlaufenden Band) erhöht. Ein flacherer Fuß ist weniger steif und belastet andere Gelenke und Muskeln stärker, darunter den vorderen Schienbeinmuskel. Eine Zerrung dieses Muskels kann das Schienbeinkantensyndrom (auch „Shin Splints” genannt) verursachen. Die Überpronation verändert auch die Rotation des Schienbeins, was aufgrund der Überbelastung zu verschiedenen Arten von Knieverletzungen führen kann.

UnTerpronation (Supination)

Die gegensätzliche Bewegung zur Überpronation ist die Unterpronation, auch Supination genannt. Dabei kippen die Füße nach außen weg, wodurch Druck auf die Außenkante des Fußes (kleine Zehe) ausgeübt wird. Läufer*innen, die eine Unterpronation aufweisen, haben in der Regel ein sehr ausgeprägtes, hohes Fußgewölbe.

Das Problem bei der Unterpronation ist, dass die Kräfte beim Bodenkontakt nicht wie bei der neutralen Pronation über den gesamten Fuß verteilt werden. Stattdessen werden die Bodenkontaktkräfte von kleineren und schwächeren Strukturen im Fuß, wie dem kleinen Zeh, aufgenommen. Diese Art des Laufens belastet die Plantarfaszie, das Schienbein und das Knie zusätzlich und erhöht das Risiko von häufigen Laufverletzungen.

Wie erkenne ich Über- bzw. Unterpronation (Supination)?

Nun zu der alles entscheidenden Frage. Welches Gangbild habe ich? Kommt mein Fuß beim Laufen in neutraler Position auf dem Boden auf oder kippen meine Füße dabei zu sehr nach innen oder außen? Hier sind zwei einfache Methoden, mit denen du feststellen kannst, ob du über- oder unterpronierst.

Der Test mit nassen Fusssohlen

Stell dich mit nassen Füßen auf eine flache, trockene Oberfläche. Trockener Beton oder Karton eignen sich gut dafür. Anhand deiner Fußabdrücke erkennst du, welche Teile deines Fußes beim Auftreten den Boden berühren. Wenn der Fußabdruck breit/oval ist und keine offensichtliche trockene Stelle aufweist, wo das Fußgewölbe sein sollte, deutet dies auf Überpronation und Plattfüßigkeit hin.

Wenn der Fußabdruck eine gebogene Verbindung zwischen Ferse und Ballen aufweist, deutet dies auf eine neutrale/normale Pronation mit einem normalen Fußgewölbe hin.

Zeigt der Fußabdruck eine geringe oder gar keine Verbindung zwischen Ferse und Vorfuß, deutet dies auf eine Unterpronation (Supination) und ein hohes Fußgewölbe hin, das keinen Bodenkontakt hat.

Der AbnutzungsTest

Eine andere Möglichkeit, um festzustellen, ob du eine Unter- oder Überpronation hast, ist, sich die Abnutzung der Schuhsohle anzusehen.

Abnutzungserscheinungen an der Innenseite der Ferse und der großen Zehe deuten auf eine Überpronation hin. Abnutzungserscheinungen an der Außenkante des Fußes von der Ferse bis zum kleinen Zeh deuten auf eine Unterpronation, auch Supination genannt, hin. Bei neutraler Pronation verläuft die Abnutzung s-förmig von der äußeren Ferse bis zum großen Zeh.

Gangbildanalyse

Mit einer professionellen Gangbildanalyse bekommst du ein genaues Feedback über die Pronation beim Laufen. Bei der Gangbildanalyse werden aus verschiedenen Winkeln Zeitlupenaufnahmen davon gemacht, wie du auf dem Laufband läufst. Mit Hilfe einer Bewegungsanalysesoftware werden Gelenkwinkel und -abstände berechnet, um genaue Daten zu erhalten.

Die Gangbildanalyse kann dir dabei helfen, deine Lauftechnik zu verbessern und den richtigen Laufschuh zu finden. Gangbildanalysen wird immer häufiger angeboten und sind oft ein kostenloser Service, wenn du dich in einem Fachgeschäft nach einem Laufschuh umsiehst.

Tipp:

Mit Hilfe von Videoanalyse-Apps kannst du deine eigene Gangbildanalyse durchführen – allerdings solltest du deine Schlussfolgerungen von Fachpersonal bestätigen lassen, bevor du große Veränderungen bei deiner Lauftechnik und -ausrüstung vornimmst.

Wie kann Über- oder Unterpronation (Supination) korrigiert werden?

In den meisten Fällen kann eine Über- oder Unterpronation ohne großen Aufwand und kostengünstig korrigiert werden.

Gut sitzende Schuhe mit Fußgewölbestütze können helfen, eine neutrale Pronation zu erreichen. Zur Korrektur von Pronationsproblemen gibt es eine große Auswahl an Schuheinlagen und Einlegesohlen. Diese können dazu beitragen, Schmerzen zu lindern und die Fersenausrichtung beim Gehen und Laufen zu verbessern. Kinesiologisches Klebeband zur Stützung des Fußes ist ebenfalls eine wirksame Methode zur Kontrolle der Fußpronation.

Einfache Übungen zur Stärkung des Fußes und Barfußlaufen können helfen, eine Überpronation zu korrigieren, indem sie das Fußgewölbe stärken. Bau dazu die folgenden Übungen in dein Training ein:

Flexes

Flex deinen Fuß und bieg deine Zehen Richtung Ferse. Halte diese Position zwei Sekunden lang. Wiederhol die Übung achtmal und drei Sätze lang.

Calf Raises 

Stell dich bequem hin. Heb im Stehen die Fersen vom Boden ab und halte die Position auf den Zehenspitzen zwei Sekunden lang. Wiederhol die Übung achtmal und drei Sätze lang.

In schwereren Fällen können Überpronation und Plattfuß individuelle Einlagen, Schmerzmittel, Behandlungen mit Eis, Physiotherapie und als letzter Ausweg eine Operation erforderlich machen. Das ist nötig, wenn du schon lange Fußprobleme hast oder wenn Verletzungen und Narbengewebe die Beweglichkeit deines Fußes beeinträchtigt haben.

Welche Schuhe eignen sich am besten bei Über- bzw. Unterpronation (Supination)?

Die Wahl des richtigen Schuhs ist das A und O für Läufer*innen. Denn sie sind gleichzeitig Fluch und Segen. Die falschen Laufschuhe hemmen deine Performance und können zu Verletzungen führen. Doch mit den richtigen Laufschuhen kannst du deine Leistung pushen und Fehlstellungen des Fußes korrigieren. Für Verfechter*innen des Barfußlaufens sind null Dämpfung und „natürliche” Techniken das Nonplusultra. Orthopäd*innen verschreiben Einlagen zum Stützen und Korrigieren des Fußgewölbes. Beide Seiten sind sich einig, dass eine neutrale Pronation Schmerzen lindert, Verletzungen reduziert und die Leistung verbessert.

Eine effektive Methode, eine neutrale Pronation zu erreichen, ist das Tragen von Schuhen, die diese aktiv fördern. Diese Schuhe verfügen in der Regel über Funktionen zur Bewegungskontrolle, wie z. B. eine Fußgewölbestütze, die eine Überpronation verhindert, oder eine Seitenstütze, die eine Unterpronation (Supination) verhindert.

Diese Eigenschaften bei Laufschuhen können zwar kurzfristig Schmerzen lindern, es ist jedoch nicht klar, ob sie langfristig zu weniger Verletzungen führen. In einigen Studien zu Schuhen mit Bewegungskontrolle ging die Verletzungsrate zurück(3 4), während sie in anderen unverändert blieb(5,6) oder potenziell anstieg.(7) Erschwerend kommt hinzu, dass eine Studie ergab, dass Pronierer*innen, die neutrale Schuhe ohne Bewegungskontrolle trugen, die niedrigsten Verletzungsraten aufwiesen.(8)

Bei gepolsterten, stützenden Schuhen wird oft kritisiert, dass sie die Sensibilität für die Lauffläche verringern und den Fuß schwächen, da sie anstelle von Knochen, Muskeln und Bindegewebe die Unterstützungsarbeit leisten. Dies ist aus verletzungstechnischer Sicht kontraproduktiv.

Eine alternative Lösung ist das Tragen von Schuhen mit weniger Dämpfung oder das Barfußlaufen. Dies kann dazu beitragen, das Fußgewölbe zu stärken und die Überpronation auf natürliche Weise zu korrigieren. Leider gibt es nur sehr wenige Belege dafür, ob dies zu weniger Verletzungen führt.

Die widersprüchlichen Erkenntnisse belegen eines: Der Zusammenhang zwischen Fußtyp, Leistung und Verletzungen ist komplex. Es gibt keine „Einheitslösung” für Probleme mit Pronation. Außer vielleicht das Vertrauen auf das eigenen Bauchgefühl.

Jüngste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Läufer*innen intuitiv die Schuhe auswählen, mit denen sie am besten Verletzungen vorbeugen und ihre Leistung steigern können, und zwar auf der Grundlage des Tragekomforts.(9, 10) Schließlich ist eine angenehme Passform ein guter Indikator dafür, ob ein Schuh passt oder nicht.

Solange es also keine endgültige Antwort auf diese Frage gibt, empfehlen wir dir, Schuhe wählen, die sich bequem anfühlen, aber dennoch ein gutes Gespür für die Laufoberfläche vermitteln.

 

Abe Ankers Abe, Sportwissenschaftler und Sportphysiologe, liebt Laufen und Radfahren. Außerdem teilt er sein Wissen gerne mit anderen und hilft ihnen so dabei, ihre Ziele zu erreichen. Alle Artikel von Abe Ankers anzeigen